Magnetisches Bewegungsprogramm

 

Die Niederländer können ja, allen anderslautenden Stammtischparolen zum Trotz, nicht nur Käse, Tulpen und Flachland richtig klasse, sondern eindeutig auch Modellbahn. Das zeigen einige Beispiele äußerst filigran gestalteter Anlagen, oft mit sehr interessantem Schmalspur-in-den-Dünen-Thema. Hat sich was mit "Nulpen aus Amsterdam": Von den "Oranjes" kann man sich modellbauerisch mehr als nur eine Scheibe abschneiden.

Aber auch wenn es um technische Tüfteleien geht, sind unsere westlichen Nachbarn nicht auf den Kopf gefallen. Man denke nur an die geniale DAF-Variomatic. Oder im Modellbahnbereich an Magnorail. Das ist zwar von der Grundidee nichts, was nicht schonmal dagewesen wäre, aber die Umsetzung ist ebenso raffiniert wie funktionstüchtig. Auch aus diesem Grunde habe ich schon länger mit dem System geliebäugelt, vor allem aber wegen der damit möglichen Radfahrer in HO, die einfach ein so schöner Gag sind, daß man kaum daran vorbei kommt. Noch dazu kann man mit dem System ja so ziemlich alles fahrbar machen, was nicht rechtzeitig auf den Parkplatz kommt. Selbst Mopeds sind kein Problem.

Nachteilig ist der doch recht erhebliche Aufwand, der für die in der Straße versenkte Bombastik des Systems zu treiben ist. Da ist Fallers Carsystem natürlich pflegeleichter: Rille in die Straße, Draht rein, heidewitzka. Auch bietet Fallers wohlbewährtes System einiges an Möglichkeiten wie Abzweige, Stopstellen undsoweiter. Magnorail bewegt sich rein systembedingt halt im Kreis herum, den man tunlichst mittels Streckenführung und Landschaft kaschieren sollte, aber das war's dann auch. Aber: Es funktioniert prima, der Preis des Grundsets ist nicht höher als der eines Car-System-Grundkastens, aber wo beim Car-System für jedes weitere Fahrzeug wieder eine erkleckliche Investition anfällt, macht man bei Magnorail nur ein Loch in den Boden des Fahrzeugs, steckt den Schleifer (Stückpreis gute 4 Euro) rein und los geht's. Hin und wieder mal die Autos tauschen - null Problemo. Und ganz ehrlich: Die meisten Car-Systeme bewegen sich auch im Wesentlichen im Kreis herum.

Der "Bööööhrnäääähr", wie geistig tieffliegende Berufsehefrauen gerne zu sagen pflegen, sind aber definitiv die Radfahrer des Magnorail-Systems. Einfach klasse. Ich kann stundenlang zusehen, wie die Kerlchen in der Gegend rumstrampeln.

Weihnachten 2016 hat mir die beste aller Ehefrauen dann tatsächlich ein Magnorail-Päckchen unter den Christbaum gelegt. Und siehe da: ich habe es tatsächlich geschafft, in der Woche "zwischen den Jahren" das Ganze in die Anlage zu integrieren.

Dabei stand zuerst die Frage: Wohin damit? Nun muß man einen der wesentlichen Nachteile von Magnorail sehen, der darin besteht, daß die Straße der kritische Faktor ist. Ich weiß nicht, wie Kopfsteinpflasterkompatibel das Car-System ist (aber ich nehme an, es hat auch so seine deutlichen Grenzen...), aber bei Magnorail ist definitiv eine glatte, ebenmäßige Fahrbahn notwendig, über die einerseits die Schleifstücke gut gleiten können, andererseits genug Reibung vorhanden ist, um die Kurbelräder der Fahrradfahrer sicher drehen zu lassen. Der Hersteller empfiehlt 350g-Karton. Und damit hat der Hersteller verdammt noch mal recht. Aber dazu später.

Die Straßenbeschaffenheits-Prämisse schließt natürlich den Einbau in der Marktplatzebene aus. Denn da ist alles gepflastert und das sollte auch so bleiben. Also habe ich den alten Plan wieder aufgegriffen, die Anlage um 20 cm nach hinten zu verlängern und dadurch die obere Stadtebene quasi verdoppelt. Das bedeutet natürlich auch, daß ein paar Häuser mehr gebraucht würden, was aber dank prall gefülltem Fundus nicht so sehr das Problem darstellte. Als netten Nebeneffekt konnte ich dann auch einige andere längst angedachte Änderungen vornehmen. Wer hätte das gedacht.

Das Magnorail-System ist recht durchschaubar aufgebaut. Gottseidank, denn die Anleitung basiert komplett aus 2 praktisch vollständig auf Piktogramm-Zeichensprache beruhenden DIN-A4-Seiten und schweigt über gewisse Details wie eine Muschel. So gibt es verschiedene Kettenglieder, die unterschiedlich bezeichnet sind, was dem richtigen Abstand der Magneten in der Kette dient - das ist unglaublich wichtig: Unter jedem Schleifermagnet muß genau ein Kettenmagnet liegen, noch dazu in aufeinanderfolgender unterschiedlicher magnetischer Polung! Also immer vorne Nord, hinten Süd. Sonst geht schlicht und ergreifend nix bzw. sieht es weniger nach niederländischer Ingenieurskunst denn nach "zu lange im Coffeeshop" aus, denn die Radfahrer radeln dann nicht, sondern rutschen bestenfalls in abenteuerlicher Querlage liegend über den Asphalt.

Die weißen Kettenführungen lassen sich alle ineinanderklipsen (Obacht, beim Ablösen vom Spritzling nicht die Verbindungshaken killen!) und bilden mit der Motoreinheit einen großen, flexiblen Ring, den man nun mal probehalber platzieren kann. Von den auf jedem Kettenführungs-Spritzling vorhandenen Adapterteilen zum Anklipsen an die Motoreinheit benötigt man nur 2 Stück pro Antrieb (eine davor, eine dahinter), was irgendwie eine bedauerliche Menge ziemlich voluminöser übriger Teile bedeutet, schade um das Material. Aber es braucht so halt nur eine Art von Spritzling, was die Produktionskosten sicher im Zaume halten soll. Produktionskosten, das Wildpferd jedes Projektes.

Dabei ist es hilfreich, den Motor noch nicht anzubauen, damit man das Gewurschtel flach auf den Tisch legen und zwecks kreativer Anordnung hin- und herschieben kann. Magnorail empfiehlt bei Längen über 150 cm (lustigerweise hat das Startset schon 160 cm, aber vielleicht darf man das Stück in der Antriebseinheit nicht mitzählen) und bei stark verschnörkelten Kettenverläufen, eine zweite Antriebseinheit einzusetzen. Mein System läuft mit 2m Kettenlänge und relativ kurviger Anordnung sehr ordentlich. Wichtig ist die Kettenspannung: Mit den unterschiedlichen Kettengliedern (es bleiben welche übrig) muß man die Kettenlänge so wählen, daß die Kette sauber läuft, aber nicht schlackert. Es gibt auch Wendeschleifen, die wohl die engstmögliche Kurvenführung darstellen, aber bei der Startpackung ist keine dabei. Diese Wendeschleifen sollte man auch nur im nicht sichtbaren Bereich verwenden, weil der ziemlich enge Kringel, den die Fahrzeuge dabei beschreiben, eigentlich nur bei Fahrradfahrern halbwegs okay aussieht, bei Autos wirkt es arg schräg, was vielleicht auch am fehlenden Lenkeinschlag liegt, den man zwar auch sonst nicht hat, der aber je weniger ins Auge fällt, je weiter die Kurve ist. Sehr nett sieht es aus, wenn sich die Fahrzeuge im Gegenverkehr auf gerader Strecke begegnen, das macht irgendwie Laune, weil es sehr lebendig wirkt.

magnorail stellprobe

Ist man mit der Streckenführung soweit d'accord, kann man alles festschrauben. Hier ein großes Lob an die Magnorail-Macher: Die dafür notwendigen Schrauben liegen tatsächlich in ausreichender Menge bei! Noch dazu in einem ohne Zutun von Zähnen oder mehr oder minder ungeeigneten Werkzeugen zu öffnenden, äußerst praktischen Kunststoffdöschen. In diesen Döschen liegen alle Kleinteile bei Lieferung. Hier geht ein aus tiefstem Herzen kommendes "voortreffelijk!" an die Kollegen von Magnorail.

Die Kette: Reine Nervensache. Nicht nur, daß man diese ganzen Kettenglieder vom Spritzling kriegen und sauber verputzen muß (die Kette muß sich absolut mühelos und ohne zu stocken bewegen können), noch dazu muß man sie nach den verschiedenen Varianten sortieren (die Bezeichnungen sind leider nur am Spritzling eingraviert) und dann noch zusammenpfriemeln. Das geht zwar ganz gut, aber fast genausogut zerfällt die Kette auch wieder in ihre Einzelteile. Ich habe die Kette in drei Abschnitten gebaut, auf ein glattes Buch gelegt und von dort in die Führung gleiten lassen. Nach höchstens 12-38maligem Wiederzusammenfrokeln war sie dann drin. Kurz darauf kam ich, offensichtlich geistig noch schwer angeschlagen vom Ketteneinbau, auf die Idee, noch ein paar Holzspäne wegzusaugen. Das Zusammentreffen eines Staubsaugers mit der einfach so lose in der Führung liegenden Kette führte zu einem Beinahe-Hirnschlag auf meiner Seite. Es sind aber nur ein paar Glieder verschwunden und so konnte ich aus der Restmenge gottseidank schnell - naja, mit höchstens 5maligem Ketten-Wiederzusammenpfriemeln - das Ganze wieder in Ordnung bringen. Geistesgegenwärtig wie immer (öch öch) hatte ich geschickterweise (hrm hrm)  keine mit Magneten bestückten Glieder weggesaugt.

Jetzt wird es nochmal tricky: Irgendwie muß man nun die Flächen um die Laufschienen herum auffüllen, damit man eine ebene Straße bekommt. Ich habe dazu die Streckenführung auf Aufklebepapier übertragen und das wiederum auf eine 8mm-Sperrholzplatte aufgeklebt und die Strecke breit genug ausgesägt. Ideal ist es, die Lücke genau einen Tick breiter als die Flügelchen an den Gleitschienen zu machen, klappt aber nicht immer. Am aller-aller-aller-wichtigsten ist es, daß diese Flügelchen genau an der Unterseite der Straßenabdeckung anliegen. Entsteht da eine Lücke, kann es passieren, daß die Magnete der Schleifer den Kraftschluß zum Kettenmagnet verlieren und das war's dann... Die Fahrräder sind noch empfindlicher, weil sie ja keine Magneten haben, sondern nur aufgrund der Tatsache, daß sie aus Stahlblech hergestellt sind, überhaupt haften. Ich habe aufgrund von unvermeidlichen Unebenheiten der Grundplatte (die ja zur Hälfte "Altbau" und zur Hälfte "Neubau" ist) an einigen Stellen mit dünnen Pappstreifen unter den Anschraubplatten aufgefüttert, um eine saubere "Straßenlage" zu gewährleisten.

magnorail eingebaut

"So, Straße drauf, ferdich" denkt der Modellbahner nun. Doch das stellt er sich zu einfach vor. Die Abdeckung sollte nicht mehr als 1mm stark sein, besser nur 0,5mm. Magnorail empfiehlt Zeichenkarton. Ich empfehle Zeichenkarton. Denn ich habe es mit einer 0,5mm-Plexiglasfolie probiert, was mich 6,95 Euro und jede Menge Nerven gekostet hat, sonst aber nicht weitergebracht hat. Das Zeug wellt sich nämlich bei Temperaturunterschieden und hat eine viel zu glatte Oberfläche, die man dann zwar aufrauhen kann, aber so hundertprozentig funktioniert es nie. Die Fahrräder rubbelten an manchen Stellen eher, dann gab es Aussetzer beim Pedalieren und komplette Stürze des radfahrenden Weihnachtsmannes. Mit Karton: Ruhe im selben. Ich habe glatten grauen Karton verwendet und siehe da: Alles läuft prächtig. Den Karton habe ich mit dünnem Doppelklebe-Montageband befestigt, wobei ich das Klebeband bis über die Anlageflügelchen der Kettenführung gehen ließ.

Stundenlange Probeläufe ohne Probleme folgten. Dann ein jäher Sturz des Weihnachtsmannes vom Rad. Ursache war tatsächlich ein Holzspänchen, das sich von einer Bohrung für eine Hausbeleuchtung davongemacht hatte und nun in eindeutig suizidaler Absicht in den Weg des Radfahrers geworfen hatte. Sauberkeit, so lernt der Magnorailer rasch und schmerzhaft, ist das A und O!

Jetzt geht es an die Ausgestaltung. Hier tut sich der Nachteil des Kartons auf: Auch er wellt sich bei Feuchtigkeitsaufnahme. Das bedeutet, daß jede feuchte Oberflächenbehandlung (Farbe, Schnee usw.) mit einem gewissen Risiko behaftet ist. Ich habe eine Pflasterfläche mit DAS-Modelliermasse hergestellt und dummerweise auf der Kartonfläche liegen lassen, was zu heftigen Wellen führte. Durch nachdrücklichen Föneinsatz sind sie aber wieder zu 99% verschwunden (und der Rest macht hoffentlich nicht viel aus) - das war natürlich eine Warnung.

Nach längerem Grübeln kam ich auf die Idee, die Straßenoberfläche mit einer weichen Graphitkreide einzufärben. Das Zeug sieht auf der Kartonoberfläche aus wie feuchter Asphalt und die allfälligen Unregelmäßigkeiten durch das Schraffieren (am besten mehrmalig in unterschiedlicher Richtung übereinander) lassen sich mit einem Stückchen Graupappe, die man mit der Kante drüberreibt, wunderbar egalisieren. Dann habe ich mit weißer Pastellkreide frostige Akzente gesetzt. Mir gefällt's ganz gut und dank der Schmierwirkung des Graphites flutscht es ganz gut, ohne daß die Radler ins Rutschen kommen und darüber das Pedalieren vergessen. Mal abwarten, wie das sich entwickelt, wenn die Geschichte mal einige Runden hinter sich hat.

Für die Drehzahlsteuerung des Motors (dergestalt wird nichts mitgeliefert und der Motor läuft bei 12V etwas zu schnell für die Radfahrer - in my humble opinion) habe ich einen für den Zweck erheblich zu edlen, aber schon seit fast 30 Jahren in der Bastelkiste herumoxydierenden SB-Modellbau-Fahrtregler aus meiner Prä-Digital-Spur-N-Ära aus dem unverdienten Ruhestand geholt. Dazu noch einen schicken beleuchteten Kippschalter, voilá. Der Motor benötigt im Übrigen Gleichstrom, was aber angesichts der Gleichrichtung im SB-Regler eh wurscht ist und dank meiner Lichtstromversorgung mittels Gleichstrom im diesem Fall auch ohne Regler funktionieren tun täte. Tuten tun. Täten. Also geht halt problemlos.

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